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Warenkorb der Wünsche

Mittwoch, 01.04.2020

Nun ist es wahr geworden: Mathias Neuner (CSU) ist der erste Landsberger Oberbürgermeister seit 1948, der keine zweite Amtszeit erreichen konnte. Und mit Doris Baumgartl (UBV) eroberte zum ersten Mal eine Frau das Chefbüro. Über die Gründe muss man nicht lange rätseln. Baumgartl pflückte die Stimmen von Neuner-Gegnern und -Skeptikern wie reife Früchte von den Bäumen. Ob Pflugfabrik-Zweifler, Brückerl-Verweigerer, Umfahrungs-Befürworter, Wohngebiets-Verhinderer oder einfach nur Bürger, denen Neuners Stil nicht gefiel: Baumgartl bot eine willkommene Alternative und signalisierte durch freundliches Zunicken, dass der Warenkorb für alle Wünsche offen steht.

Die meisten Artikel, die die Wähler bei der Siegerin bestellt haben, sind aber gar nicht lieferbar. Erschwingliche Mieten gibt es nicht ohne Neubauten. Der Lechsteg ist vertraglich vereinbart und im Bau. Schnellstraßen durchs Landschaftsschutzgebiet sind undenkbar. Dass jetzt alles anders wird, kann also niemand erwarten; die Räder werden nicht zurückgedreht. Auch mehr Gehör und mehr Bürgerbeteiligung sind über die Formen "Bürgergruppe ULP" und "Landsberg 2035" hinaus schwer vorstellbar. So etwas kostet viel Zeit. Die Oberbürgermeisterin hat ohnehin lange Tage bis in den Abend hinein und viele Termine am Wochenende zu verkraften. Es gilt zudem, Skepsis in der Stadtverwaltung gegen die neue Chefin zu überwinden. Schon das normale Tagesgeschäft ist anspruchsvoll, zumal Fehler schnell große Auswirkungen haben können.

Hinzu kommt: Baumgartl kann mit nur sechs UBV-Stimmen im 30-köpfigen Stadtrat kaum etwas ausrichten. Sie muss sich um Konsens bemühen. Denn alles Wichtige, was nicht lediglich in den Bereich der wiederkehrenden Angelegenheiten der laufenden Verwaltung fällt, muss in den Stadtrat. Damit das nicht zum Stillstand führt, sind viele individuelle Gespräche erforderlich, zumal sich die bisherige Montagsrunde nicht als Garant für schnelle Beratung und Beschlussfassung erwiesen hat.

Es ist aus einem weiteren Grund unwahrscheinlich, dass Landsberg in den nächsten sechs Jahren große Sprünge macht. Der Spielraum ist durch die absehbare Finanzlage der Stadt nach Corona drastisch verengt. Die Gewerbesteuer-Einnahmen der Lechstadt könnten einbrechen; dafür gibt es bereits Signale. Schon der jetzige Haushalt ist nicht mehr valide. Investitionen werden reduziert und sogar gestrichen werden. Museum? Landesausstellung? Parkhaus? Inselbad? Man muss sehen und abwägen. Es ist keine gute Zeit, Oberbürgermeisterin zu sein.

Mathias Neuner hat die Wahl nicht erst in der letzten Woche verloren; dort verfestigte sich die Niederlage nur. Allerdings hat er in den vergangenen Tagen die Erfahrung machen müssen, wie sehr Politik in Wahlzeiten von Taktik geprägt ist. Als er zum Krisenmanagement verpflichtet war, knüpften andere öffentlichkeitswirksame Allianzen und setzten Wahlempfehlungen gegen ihn durch. Obwohl alle betonten, wie wichtig das Zusammenstehen in schwieriger Zeit sei, konnte davon in der Praxis keine Rede sein. Landsberg verliert mit Mathias Neuner einen engagierten, fleißigen und kämpferischen Oberbürgermeister, der vor allem an einem gescheitert ist: Er legte den Fokus fast ausschließlich auf Sachfragen und fast nie auf seine Wiederwahl. Politisch ist das vorbildlich, persönlich aber tragisch.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed