Altöttinger Dammbruch

Mittwoch, 01.09.2021

In der Altöttinger Straße 13 soll anstelle eines Einfamilienhauses ein dreigeschossiges Gebäude mit elf Wohnungen errichtet werden. Das stößt bei Nachbarn auf Unverständnis; sie beklagen einen "massiven Einschnitt in den Charakter der Schwaighofsiedlung". Nach § 34 des Baugesetzbuchs ist der Antrag, wenn keine sonstigen Hindernisse bestehen, aber zu genehmigen, denn für das Einfügegebot reicht bereits ein gleich großer Bezugsfall in der näheren Umgebung aus und der ist nur wenige Grundstücke entfernt mit der Altöttinger Straße 7a und 7b gegeben.

Dieser Bezugsbau - ein senkrecht ins Grundstück eingezwängter Komplex - entstand in der Amtszeit von Oberbürgermeister Mathias Neuner auf Betreiben des Bauamts. Die Beteiligten wussten: Die Entscheidung kann in der Altöttinger Straße zu einer Inflation großer Baukörper führen. Zumal sich ein Bauträger dabei auf seine eigenen Bauwerke berufen kann; das ist wie eine Ein-Personen-Staffel, bei der sich der Läufer den Stab Runde für Runde selbst übergibt und der Sieger von Anfang an feststeht. Der Stadtrat konnte die merkwürdige Entscheidung der Verwaltung nicht korrigieren. Ihm blieb 2017 nur eine Änderung der Geschäftsordnung; im unbeplanten Innenbereich sowie im Geltungsbereich von einfachen Bebauungsplänen können Gebäude, die geeignet sind, als künftige Bezugsfälle zu gelten, nun nicht mehr vom Oberbürgermeister (m/w/d), sondern nur noch vom Bauausschuss des Stadtrats genehmigt werden.

Eigenheimbesitzer, die befürchten, dass auch ihre Siedlung oder ihr Ortsteil eine ähnliche Entwicklung nimmt, tun gut daran, die Tagesordnung des Ausschusses zu studieren und zu prüfen, ob jemand eine ausufernde Bebauung in der Nachbarschaft beantragt hat. Dann gilt es, schon diesen ersten Fall zu verhindern. Denn letztlich ist das Kriterium "Einfügen" allein vom Bezugsfall abhängig - alle anderen Bremsen greifen nur selten. Das Ortsbild ist nur dann beeinträchtigt, wenn es "eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit, einen besonderen Charakter oder eine gewisse Eigenart aufweist, die ihm eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht"; das hat die Rechtsprechung fast immer verneint. Das Gebot der "Rücksichtnahme" setzt "nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen" im Sinne "unzumutbarer Belästigungen oder Benachteiligungen" voraus; auch das sah kaum ein Gericht als gegeben an. Und das oft zitierte Gebot, keine bodenrechtliche Spannungen zu generieren, gilt nur für den Fall, dass kein Bezugsfall existiert, das Vorhaben aber dennoch verwirklicht werden soll.

Man könnte sich auf den Standpunkt stellen: Vergesst doch einfach das Vorhandene; die Nachfrage nach Wohnungen und die Preisentwicklung sind Gründe genug, überall große Mehrfamilienhäuser zu bauen. Aber das sieht der Gesetzgeber anders: Er hat im 2021er Baulandmobilisierungsgesetz zwar Ausnahmen vom Einfügegebot normiert, aber nur für den Umbau oder die Umwidmung zulässigerweise errichteter Bestandsbauten. Der Wohnungsbau macht den Städtebau also auch künftig nicht obsolet. Und er stellt Anwohner auch künftig nicht rechtlos. Das passiert tatsächlich nur dann, wenn man zulässt, dass Gewinnstreben von Bauträgern, so wie hier, die Dämme brechen lässt.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed