Hellmair's Nachbarn

Mittwoch, 02.11.2022

Der Bauausschuss des Stadtrats hat in seiner letzten Sitzung in einem merkwürdigen Verfahren Befreiungen vom Bebauungsplan 1030 „Am Georg-Hellmair-Platz“ beschlossen. Die bereits durchgewunkenen Abweichungen sollen nämlich unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Nachbarn stehen. Genau betrachtet handelt es sich also um eine bauplanungsrechtliche Befreiung unter der auflösenden Bedingung nachbarschaftlicher Nichtzustimmung. Das haben Sie noch nie gehört? Wir auch nicht.

Es geht um den Plan des Hellmairs, eine Erweiterung des Gastraums und der Küche in den Innenhof hinein zu bauen. Ebenfalls im Innenhof sollen die Stellflächen für die Müllbehälter und ein zusätzliches Kühlhaus mit Sichtschutzwänden abgetrennt werden. In der Sache selbst sprechen Argumente dafür und dagegen. Einerseits: Die Räumlichkeiten der Gastronomie in der Altstadt sind begrenzt; jede Erweiterung, insbesondere der sehr kleinen Küche, erhöht die Qualität und verbessert die Arbeitsbedingungen. Andererseits: Direkt oberhalb der geplanten Erweiterungsfläche sind Balkone; auch sollte ein Innenhof, der bewusst nicht überplant wurde, auch ein Innenhof bleiben. Manchmal möchte man wirklich nicht im Stadtrat sein; Entscheidungen wie diese sind nicht leicht zu treffen.

Aber gerade dann gilt es, die für eine Beschlussfassung erforderlichen Fakten vorher einzuholen. Wie soll der Anbau konkret aussehen? Welche Lärmauswirkungen wird die Erweiterung haben? Was bedeutet er für diejenigen, die dort Fenster oder Balkone zum Hof haben? Erst auf dieser Informationsgrundlage kann man auch die Nachbarn befragen. Abschließend muss der Ausschuss alle Daten bewerten und seine Entscheidung treffen. Beispiele: Der Immissionsschutz ist gewährleistet, trotzdem wird es ganz schön laut. Drei Viertel der Nachbarn haben kein Problem damit, ein Viertel schon. Wie entscheiden wir nun?

Anders herum geht es nicht. Zumal nicht klar ist: Wer genau ist denn in diesem Fall „Nachbar“, nur solche mit Fenster zum Hof oder alle in Hörweite? Ist Einstimmigkeit erforderlich? Wie wertet man die Nichtbeantwortung? Wie genau diese Nachbarzustimmung ablaufen soll, ist also unklar. Wohlgemerkt: Es geht nicht um einen einfachen Bauantrag. Es geht auch nicht um eine Maßnahme im unbeplanten Innenbereich. Es geht um die Abweichung von einem beschlossenen Bebauungsplan. Bei seiner Aufstellung kamen erst die Bürger zu Wort, dann entschied der Stadtrat. Warum soll die Abfolge bei der Befreiung von diesem Plan umgekehrt sein? Bei allem Respekt vor Hellmairs Nachbarn: Das letzte Votum gebührt den Mandatsträgern. Sie müssen abwägen. Sie müssen entscheiden. Und sie tragen die Verantwortung.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed