Wir hätten uns bedankt

Mittwoch, 03.02.2021

Vielleicht kennen Sie das auch: Sie rufen den Mitarbeiter einer Firma an, mit dem Sie schon lange in Kontakt sind. Da meldet sich die Telefonzentrale und sagt: "Herr Schneider arbeitet nicht mehr für uns." Sie schlendern durch die Altstadt und steuern "Johannas Mode" an, wo Sie immer etwas Nettes fanden. Doch das Schaufenster ist verklebt und ein Maklerschild hängt an der Tür: "Zu verpachten". Sie kontaktieren die Filiale der regionalen Bank, in der Sie oft in Anlagefragen beraten wurden. Doch die Nachricht "Mailbox unavailable" lässt Sie ahnen, dass es diese Filiale wohl nicht mehr gibt.

In solchen Fällen kommen ungute Gefühle auf. Wir haben natürlich keinen Anspruch darauf, zu erfahren, warum Herr Schneider ausgeschieden ist. Bekam er ein besseres Angebot? Ging er wegen seiner Gesundheit? Hat die Firma ihn entlassen? Trotzdem hätten wir es gerne gewusst. Dann wären wir wenigstens Zeuge des Wandels geworden. Außerdem hätten wir ihm dann noch Lebewohl sagen können. Ähnlich ergeht es uns in Sachen "Boutique". Ist Johanna in eine andere Stadt gezogen? Musste sie wegen des Lockdowns aufhören? Oder entwirft sie jetzt ihre eigene Kollektion? Das schnöde "Pächter gesucht" verstärkt unser Unbehagen. Wir wären gerne noch ein letztes Mal zum Einkaufen gekommen und hätten dadurch Abschied genommen. Was die Bankfiliale betrifft, ergeht es uns ähnlich. Zugegeben: Alles fließt. Nichts bleibt, wie es ist. Das einzig stetige im Leben ist die Veränderung. Aber wir haben doch über Jahre Empathie aufgebaut. Wir haben uns an Orte und Menschen gewöhnt. Da wäre doch ein gemeinsames Adieu angebracht.

Wer in der vergangenen Woche den KREISBOTEN gelesen hat, ahnt vielleicht, worum es uns geht. Zum Ausscheiden von Christian Karlstetter, dem langjährigen Rektor der Mittelschule Landsberg, gab es weder vom Schulamt noch von der Stadt Landsberg eine Mitteilung. Keine Verabschiedung, keine Würdigung, kein Bedauern, kein Adieu. Hätte der KREISBOTE nicht recherchiert, wüssten es die Öffentlichkeit, ehemalige Schüler und so mancher gelegentliche Weggefährte heute noch nicht.

Dabei ist Christian Karlstetter ein Mann mit vielen Verdiensten. Er hat die Fusion der beiden Mittelschulen mit Nachdruck betrieben. Er hat den Umbau der Fritz-Beck-Schule mit äußerstem Engagement zum Erfolg geführt. Und er hat die Schulform Mittelschule praxisnah interpretiert und dadurch sehr viele Schüler motiviert. Immer wieder startete er Aktionen, vor allem aus den Bereichen Kunst und Kultur, die zu konkreten Ergebnissen führten. Immer wieder vermittelte er den Heranwachsenden Erfolgserlebnisse, ließ sie den Wert von Engagement und Fleiß spüren und zeigte ihnen am konkreten Beispiel, wie spannend das Leben sein kann.

Es scheint der Stadt Landsberg geradezu anzuheften, verdiente Mitstreiter am letzten Tag durch die Hintertür hinauszugeleiten. Die frühere Stadtbaumeisterin Annegret Michler und der ehemalige Kämmerer Peter Jung sind Beispiele dafür. Auch Christian Karlstetter hat nun einen Platz in dieser Reihe. Das ist schade. Wenn es denn schon keine Feier sein sollte - ein offizielles Ausscheiden lässt sich auf manche Weise verwirklichen. Wir hätten uns darüber gefreut. Wir hätten ihm Lebewohl gesagt. Wir hätten von ihm Abschied genommen. Wir hätten uns bei ihm bedankt.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed