Gestern Laie, heute Landrat

Mittwoch, 07.04.2021

In der vergangenen Woche forderte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, eine Jahrhundertreform der Verwaltung unter Einschluss der Landkreise, Städte und Gemeinden. In der Krise habe man wie unter einem Brennglas gesehen, was nicht richtig funktioniert. Der landsbergblog stimmt in vollem Umfang zu.

Eine der dringend zu reformierenden Merkwürdigkeiten unserer Kommunalverfassung ist es, dass Deutschland ausgerechnet die unterste, operativste und bürgernächste Ebene der Verwaltung durch Wahlbeamte - nämlich Landräte - leiten lässt, die dafür in der Regel keine ausreichende Qualifikation besitzen. In allen Angelegenheiten des staatlichen Landratsamts waren sie soeben noch unbedarft. Von einem Tag auf den anderen sollen sie nun nicht nur exzellente Verwaltungskenner, sondern auch sachkundige Fachleute und anerkannte Vorgesetzte sein. Das kann nicht funktionieren.

Wohlgemerkt: Zur Leitung des Kommunalen Landratsamts sind Landräte (m/w/d) sehr wohl geeignet. Sie kommen meist aus der Region, sind gesellschaftlich und parteipolitisch verankert und unterliegen insoweit der Beschlussfassung und Kontrolle der Kreistage und Kreisausschüsse. Aber was qualifiziert sie, in Sachen Gesundheit, Immission, Naturschutz, Waffen, Asyl sowie vielen anderen Themen - dort ohne Gremienkontrolle - gute Verwaltungsarbeit zu leisten? Woher sollen sie das Wissen und die Erfahrung nehmen, um die Landkreisbürger erfolgreich durch eine Pandemie zu führen? Welche Expertise haben sie im Katastrophenschutz? Welche Kompetenz haben sie in der Koordination von Ehrenamtlern und Einsatzkräften? Was verstehen sie von Krisenkommunikation? Dennoch wird erwartet, dass Landräte alle Entscheidungen treffen. "Nach Rücksprache mit Herrn Landrat", "Auf Weisung des Herrn Landrats", "Nach Anordnung von Herrn Landrat", lesen wir fast jeden Tag.

Es ist als wenn wir jeden Landkreis als eine Insel betrachten. Ob und wie schnell Entscheidungen des Bundes oder der Länder dort umgesetzt werden, hängt davon ab, ob die Zugbrücke unten ist oder nicht. Manche Landräte lassen die Brücke gerne oben und agieren als selbstbewusste Verwaltungschefs. Andere betonen ebenfalls ihre bedeutende Rolle und nehmen den Mund voll, sind aber eher ängstlich und baden gerne lau. Das kann man nur durch eine Maßnahme ändern: Ab der nächsten Amtszeit sollte die Zuständigkeit der gewählten Landräte auf den kommunalen Bereich beschränkt werden. Für alles andere brauchen wir, wie früher in der norddeutschen Ratsverfassung, gut ausgebildete und handlungsfähige Verwaltungsleiter in Form von Laufbahnbeamten.

Ist das undemokratisch? Nein, denn die Regierung und die Spitzen der Ministerien sind bereits demokratisch legitimiert. Niemand käme auf die Idee, die Chefs anderer örtlicher Verwaltungsorganisationen wie Polizei, Finanzamt, Wasserwirtschaftsamt oder Vermessungsamt wählen zu lassen. Die dortigen Beamten und Angestellten sind unmittelbar in der jeweils fachlichen Schiene verankert; das wäre auch kommunal der nächste anzustrebende Schritt. Es ist aber undenkbar, sie bei einer Verwaltungsreform weiterhin jemanden zu unterstellen, der gestern Laie war und heute Landrat ist. Lieber Herr Brinkhaus, fangen Sie am besten ganz unten an. Denn hier vor Ort, hier sitzt das größte Problem.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed