Live aus der Vergangenheit

Mittwoch, 08.12.2021

Wenn Landrat Thomas Eichinger (CSU) unter dem Titel "Landrat live" ein Video aufnimmt, sollte man meinen, dass er die aktuelle Diskussion zu einem Thema aktuell kommentiert. In seinen Anmerkungen zur Intel-Ansiedlung hat er aber den Sachstand vom Juni unterstellt, um den Widerstand vom Dezember zu entkräften. Das mutet irreführend an und kann nicht überzeugen.

Live aus der Vergangenheit argumentiert Eichinger zum Beispiel, auf dem Fliegerhorst hätten doch früher schon mal "zwei bis dreitausend Menschen" gearbeitet. 2.350 waren es nach Angaben der Bundeswehr exakt, aber egal: Der Stadtrat und der Gemeinderat haben bereits 50 Prozent mehr Intel-Beschäftigte, nämlich 3.500 Personen, akzeptiert. Inzwischen geht es aber um 12.000 Angestellte. Das ist eine ganz andere Dimension. Auch optisch lässt Eichinger in das Video immer nur den Fliegerhorst einblenden. Inzwischen geht es aber um 230 Hektar mehr, um 500 Hektar insgesamt, ein Areal das doppelt so groß ist wie der Fliegerhorst.

Die Stadt und die Gemeinde könnten doch später noch über das Ausmaß der Ansiedlung entscheiden, verkündet der Landrat. Man könne dem Geschehen "getrost" entgegenblicken. Es gebe keinen Grund, "in Panik zu verfallen". Herr Eichinger: "Getrost entgegenblicken" ist geradezu der Gegenentwurf von Demokratie. Und Kritik ist keine Panik, sondern Bürgerrecht. Die Argumentation verdeutlicht im Übrigen die fehlende Erfahrung des Landrats: Wenn die Verhandler aus Brüssel, Berlin und München erst einmal den "Letter of Intent" mit Intel unterzeichnen, haben Landsberg und Penzing faktisch keinen Einfluss mehr. Sie werden von Euphorie geradezu überrollt. Wenn die Politiker vor Ort erst dann Grenzen ziehen, werden sie zurecht hören: Wieso habt Ihr das nicht früher gesagt? Wer jetzt zur Strategie des Schweigens rät, fordert die überbaute und überhitzte Region geradezu heraus.

Man solle sich nicht davon irritieren lassen, was "irgendwelche Zeitungsmeldungen suggerieren", die "allgemeine Verunsicherung" bewirkten, sagt Eichinger in seinem Video. Aber die von Intel als gültig bekräftigten Angaben ihres Chefs Pat Gelsinger stammen aus einem autorisierten Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung; authentischer können Medien nicht sein. Wenn Eichinger sagt: "Genaue Informationen konnte der Presse niemand geben", dann stimmt das nicht; Gelsinger war mehr als exakt. 12.000 Mitarbeiter und 500 Hektar sind doch wohl konkret genug. Und sie waren laut Mitteldeutscher Rundfunk auch Anfang November, beim Besuch von Intel in Magdeburg, wieder Gesprächsgrundlage.

Keine Panik! Nicht verunsichern lassen! Getrost entgegenblicken! Wer diese Sätze eines amtierenden Landrats hört, der fragt sich, aus welchem Jahrhundert sein Politikverständnis entspringt. Ähnlich hat sich inzwischen auch der Landsberger CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Kießling geäußert. Für uns bleibt es dabei: Politik umfasst, Interessen früh zu formulieren. Intel in Normalgröße ist herausfordernd, aber der Nutzen überwiegt. Intel als "Mega-Fab" nach US-Vorbild sprengt unsere Systeme und schwächt die Region. Das ist eigentlich einfach zu verstehen. Wenn man es verstehen will.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed