Eklatanter Wortbruch

Mittwoch, 09.12.2020

Man versteht, dass die Fischergilde Barbara ein größeres Gebäude will. Und man erkennt, dass der Standort an der Jahnstraße dafür geeignet ist. Trotzdem hätte der Bauausschuss unter Vorsitz von Bürgermeister Moritz Hartmann (Grüne) das Vorhaben nicht durchwinken dürfen. Er hat dadurch bewirkt, dass die Stadt nicht mehr glaubwürdig ist.

2013 hatte sie im Bebauungsplan "Jahnstraße" den Käufern der entstehenden Reihenhäuser "hohen Freizeitwert der näheren Umgebung und des Altöttinger Weihers" versprochen, eine "direkte Nachbarschaft zu angrenzenden Grünflächen", eine besondere "Nähe zur Natur". Ein Spielplatz sei entbehrlich, weil sich die Häuser ja "in nächstliegender Umgebung zu Grünflächen" befänden. Zwar stünden dort noch alte Gebäude für Obdachlose. Aber seit 2003 sei deren Abriss beschlossen, um ein komplettes "wertvolles landschaftliches Strukturelement von hoher Erlebnisqualität" zu schaffen.

Die Käufer verließen sich darauf. Sie freuten sich aufs "Wohnen am Altöttinger Weiher", investierten ihre Ersparnisse und nahmen meist zusätzlich Kredite auf. Billig waren die Häuser nicht. Aber bei dieser 1A-Lage schien der Werterhalt doch sicher. Umso entsetzter waren sie, als die Stadt plötzlich erklärte, auf der anderen Straßenseite eine große Obdachlosenunterkunft errichten zu wollen. Nicht nur dass von "öffentlicher Grünfläche" plötzlich keine Rede mehr war: Nun sollten auch noch die Belastungen hingenommen werden, die aus einer solchen Einrichtung resultieren.

Dass die Betroffenen nicht auf die Barrikaden gegangen sind, sondern auf einen Kompromiss zusteuerten, ehrt sie. Der sah vor, die Unterkunft zu verkleinern, die Belegung zu reduzieren, eine soziale Betreuung in Form eines "Kümmerers" einzurichten und - natürlich - die verbliebene Baracke abzureißen, um wenigstens die anderen Versprechen in Sachen Renaturierung einzuhalten. Oberbürgermeister Mathias Neuner dankte im Februar 2017 für die „ruhigen, sachlichen Gespräche“ - „ein Stück Diskussionskultur“. Wenig später bestätigte er den Abbruch der Baracke bis Mitte 2018. Sie steht aber heute noch.

Daher geht Hartmanns Formel "Hier gab es Widerspruch der Anlieger, dort gab es Widerspruch der Anlieger" völlig an der Realität vorbei. Ja, an keiner Seite wollte man den neuen Zweckbau der Gilde haben: überall war "weniger Natur" nicht willkommen. Aber mit der Entscheidung für die Jahnstraße war zusätzlich ein eklatanter Wortbruch verbunden.

Antragsteller in Sachen Bauplanung sind nun gewarnt. Wer ein Grundstück bebauen oder ein Haus kaufen möchte, sollte sich in Landsberg nicht auf die Angaben in Bebauungsplänen verlassen. Auch Zusagen der Stadtführung sowie einstimmige Stadtratsbeschlüsse schaffen keine Verlässlichkeit. Man muss wohl mit Anwälten erscheinen, einklagbare Vorbescheide beantragen und Verträge schließen, die Schadensersatzklauseln enthalten.

So wie Projektentwickler ehret + klein das getan hat. Deswegen käme die Stadt auch nicht auf die Idee, ihre Verpflichtungen aus dem städtebaulichen Vertrag zum Papierbach zu ignorieren; der Groß-Investor der Pflugfabrik bleibt ungefährdet. Die Einzel-Häuslebauer an der Jahnstraße aber kann man offenbar beliebig oft düpieren. Es ist bitter: Manchmal handelt die Politik, als gäbe es kein "morgen" mehr. In Landsberg hat sie nun auch "gestern" vergessen.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed