Es muss passen

Mittwoch, 10.11.2021

In Sachen Intel gibt es viele Aspekte. Es geht zunächst um eine Kompetenzabgrenzung. Im Juni haben der Landsberger Stadtrat und der Penzinger Gemeinderat Entscheidungen auf der Basis "270 Hektar Fliegerhorst, 3.500 Mitarbeiter" getroffen. Seit Anfang September stehen "500 Hektar Fläche, 12.000 Mitarbeiter" im Raum. Die Oberbürgermeisterin und der Penzinger Bürgermeister hätten spätestens nach sich häufenden Berichten darüber - ab da kann man Kenntnis unterstellen - den Stadtrat einberufen und ein neues Votum einholen müssen. Sie können die Sache nicht einfach weiterlaufen lassen. Neue Lage, neuer Beschluss.

Zwar sind die Stadt und die Gemeinde im Moment nicht im Spiel; die Verhandlungen führt das Bayerische Wirtschaftsministerium. Aber mindestens ihm gegenüber kann man ein "Bis hierher und nicht weiter" erklären. Deswegen überzeugt das Argument nicht, die Entscheidung von Intel sei ja noch gar nicht gefallen. Ist sie einmal getroffen, wird in halb Europa Jubel ausbrechen. Endlich eine Chip-Produktion vor Ort! Endlich weniger Abhängigkeit von Taiwan! Endlich wieder ein gemeinsames USA-Europa-Projekt! Die Stadt und die Gemeinde würden dann mit ihrer Skepsis gegenüber doppelt so viel Fläche und dreimal so viel Arbeitsplätzen sehr kleinteilig wirken.

Was dann geschieht? Nun, zwischen Landsberg und Penzing entsteht eine riesige Traglufthalle. Hunderte von englischsprachigen Experten aus den Bereichen Bauleitplanung, Wohnungsbau, Straßenbau, Nahverkehr, Naturschutz, Landwirtschaft, Schulwesen, Kindertagesstätten, Stromversorgung, Wasserwirtschaft und vielen anderen Fachgebieten wie Ausschreibungs- und Vergaberecht erarbeiten dort in enger Abstimmung mit Intel-Planern ein zehntausend Seiten umfassendes Pflichtenheft und stoßen zahlreiche Projekte im Milliardenumfang an, die die Gemeinde, die Stadt, der Landkreis, der Freistaat und der Bund parallel zum Aufbau der Chipfabrik vorantreiben, um just in time die Infrastruktur zu schaffen, die Intel und seine Mitarbeiter brauchen. So etwas kennen wir zwar, aber bislang nur aus Science Fiction Filmen, in denen es darum geht, Meteore umzuleiten.

Die organisatorische Herausforderung ist immens und die möglichen Rückschläge sind schon jetzt absehbar. In Taiwan zeigt sich der enorme Wasserverbrauch von Chipfabriken. Auch hat man dort erfahren, dass Erschütterungen durch U-Bahnen die Produktion beeinträchtigen. Errechnet den Wasserbedarf, fliegt Seismologen ein! Und befasst Euch schon mal mit Lurchen, die Lebensraum beanspruchen, Eigenheimbesitzern, die sich gegen eine Nachverdichtung stemmen, Bürgerinitiativen, die Umgehungsstraßen fordern und Landwirten, die dagegen sind, besten Ackerboden für Microchips zu opfern!

Landsberg und Penzing halten sich an das, was sie versprochen haben. Das sollte man jetzt im Stadtrat und im Gemeinderat bekräftigen. Es mag ja sein, dass sich die erforderliche Grenzziehung bei 270 Hektar und 3.500 Mitarbeitern, vielleicht mit ein wenig Spielraum nach oben, wie eine Bombe darstellt, die Intel vergrault. Aber eine Zeitbombe ist viel gefährlicher. Intel und die Region, das muss passen. Exzessiv passt es nicht.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed