Labile Lehne

Mittwoch, 11.05.2022

Die Verkehrsentwicklung ist in Landsberg zur Geheimsache geworden. Gutachter haben Vorschläge unterbreitet, aber niemand bekommt sie zu sehen. Da sollte man sich eigentlich freuen, wenn wenigstens die oppositionelle CSU einen Antrag zur Vorbereitung der Einführung eines Ein-Euro-Tagestickets beim öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) stellt und ihn im Stadtrat auch noch einstimmig durchbringt. Die CSU verbuchte das unter "Es geschehen noch Zeichen und Wunder"; wir sind da weniger optimistisch. Viele Stadträte wissen, dass solche punktuellen Maßnahmen nichts bewirken und sogar kontraproduktiv sind, weil sie ähnlich wie das "Neun-Euro-Ticket" Mittel verschlingen, die eigentlich infrastrukturell investiert werden müssen. Insofern dürften die anderen Parteien dem Antrag zugestimmt haben, damit er schnell in der Verwaltung verschwindet und dort aktenkundig wird. Die Zustimmung war übrigens ungefährlich, denn die CSU hat die Klausel eingebaut, dass nach Vorbereitung eine erneute Beschlussfassung erfolgen muss.

Schaut man sich den Antrag (ein Satz) und die Begründung (sechs Sätze) näher an, fällt sofort auf, dass die CSU-Fraktion behauptet, die Stadt würde sich mit dem Ein-Euro-Tagesticket "an das Maßnahmenpaket des 10-Punkte-Plans der Bayerischen Klimaoffensive anlehnen". Die Lehne, an die sich die CSU da anschmiegt, ist aber labil und hält so viel Inanspruchnahme gar nicht aus. Zum einen sieht das Maßnahmenpaket geringere Fahrpreise nur für Schüler und Auszubildende vor; die CSU-Begründung übersteht den Blick in die Quelle nicht. Zum anderen handelt es sich dabei nur um eine von vielen Maßnahmen, die nach dem Plan parallel durchgeführt werden sollen. Dazu gehört in Sachen ÖPNV zunächst ein "flächendeckendes attraktives bedarfsorientiertes Fahrtangebot". In dem Plan fallen Stichworte wie Taktverdichtung, neue Linien, besser abgestimmte Verkehrsverbünde, Buslinien in und aus dem ländlichen Raum, Park&Ride- sowie Bike&Ride-Flächen, Fahrradmitnahme im Bus und der Ausbau des elektrifizierten Schienenverkehr. In einem ähnlichen Maßnahmenkatalog auf Bundesebene ist eine Fahrpreisreduzierung für alle zwar enthalten. Aber nur als eine von 17 Stellschrauben.

Wie grotesk es ist, sich aus dem Komplex ein einzelnes Thema durch "Anlehnen" herauszugreifen, zeigt die Bemerkung im letzten Satz des CSU-Antrags, ein 365-Euro-Ticket käme in Landsberg nicht in Betracht, weil der Bus bei uns ja sonntags nicht fährt. Glaubt die CSU ernsthaft an das Gelingen der Verkehrswende mit einem Fünfeinhalb-Tage-Bussystem? Nein, wir müssen zunächst einmal ein Angebot schaffen, das unseren "sozialen Bus" zu einem "Bus für alle" macht und das reale Leben abbildet. Wir brauchen einen Nahverkehr, in dem Bus fahren clever, bequem und zeitsparend ist. Wenn es dann noch billig ist: umso besser. Allein nutzt das aber nichts.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed