Zwei Schritte nach vorn

Mittwoch, 11.08.2021

"Der eingetragene Verein Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung hat das Ziel, bei den Tonröhrenbauten an der Erpftinger Straße, die Teil des KZ-Außenlagers Kaufering sind, ein Dokumentationszentrum entstehen zu lassen. Es bedarf vieler paralleler Schritte, um dieses Vorhaben zu verwirklichen - und eine Menge Fingerspitzengefühl." So lauteten die ersten Sätze eines KREISBOTEN-Berichts vom 2. Dezember 2015. Nun, fünfeinhalb Jahre später, hat der Stadtrat einen einstimmigen Grundsatzbeschluss gefasst, der dieses Vorhaben einen entscheidenden Schritt nach vorne bringt. Mit der Zusage, im Flächennutzungs- und im Bebauungsplan Baurecht für einen "angemessenen Erinnerungs-, Lern- und Gedenkort" zu schaffen und darin "ausreichend große Erschließungs-, Nutzungs- und Parkplatzflächen" einzubeziehen, hat die Stadt nicht nur ihren Teil des Vorhabens in Angriff genommen, sondern auch ein klares Signal an Freistaat, Bund und Europa gesendet: Wir wollen das. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass jetzt echoartige Reaktionen kommen. Wir doch auch. Wir ziehen mit. Wir wollten doch schon immer. Damit ist die Sache auf gutem Weg. Manfred Deilers geduldige Beharrlichkeit, sie zahlt sich aus.

Die jetzige Entscheidung des Stadtrats ist ein Verdienst der Oberbürgermeisterin. Ihr Vorgänger unterstützte die Arbeit der Stiftung zwar: "Es gibt Dinge, über die darf kein Gras wachsen", sagte er in Anspielung an die erfolgreiche Konservierung der Tonröhrenbauten durch die Stiftung, für die es mehrere bedeutende Auszeichnungen gab. Aber zu seiner Prognose, damit werde "die Gedenkarbeit auf neue Beine gestellt", trug er nicht viel bei. Obwohl schon lange klar ist: Die vom Bund als "Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung" eingestuften Bauwerke besichtigen sich nicht einfach so. Es braucht eine inhaltliche Begleitung über Schautafeln hinaus. Es braucht Infrastruktur in Form von Gruppenräumen, Parkplätzen und WCs. Und es braucht auch eine Aufsicht und Bewachung der Einrichtung. Dass die Stadt jetzt diesen großen Schritt macht, hängt auch damit zusammen, dass sie die Gedenkarbeit insgesamt reformiert; die ist nämlich durch disperse Orte, eine wenig ertragreiche Goppel-Kommission und viele sich berufen fühlende Akteure etwas ausgefranst.

In der gleichen Stadtratssitzung, diesmal (zurecht) im nichtöffentlichen Teil, machte der Stadtrat einen weiteren Schritt. Er ernannte mit Dr. Stefan Paulus einen neuen ehrenamtlichen Stadtheimatpfleger. Auch damit setzt die Stadt Impulse; auch hier verspürte man Bedarf. Paulus Absicht ist es, die Stadtheimatpflege präsenter und greifbarer zu machen. Während sein Vorgänger Dr. Werner Fees-Buchecker im landsbergblog einmal der "schweigenden Mehrheit" dafür dankte, sich nicht überall einzumischen, versteht sich Paulus eher als Kommunikator und Moderator. Insbesondere bei den Themen Denkmalschutz und Denkmalpflege, die definitionsgemäß im Fokus der Tätigkeit eines Stadtheimatpflegers liegen, schlägt das Pendel auf der Skala von übertriebener Historisierung bis zur Vernachlässigung gerne heftig aus. Paulus Bemühen wird sein, dass es sich durch Konsens einpendelt. Das waren zwei gute Entscheidungen an einem Tag - aus Stillstand wird Zukunftsfähigkeit. Was will man mehr?

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed