Zielkollision und Latenz

Mittwoch, 13.10.2021

Woran liegt es eigentlich, dass wir bei einigen Themen so schleppend vorankommen? Das liegt wohl vor allem an zwei Phänomenen. Das eine könnte man als Zielkollision bezeichnen. Für 2022 ist in den privaten Haushalten wegen der explodierenden (Industrie-) Nachfrage nach Öl und Gas mit einer Heizkostensteigerung um 35 Prozent zu rechnen. Also müsste der Staat die Haushalte entlasten. Was aber macht er? Er setzt mit der CO2-Steuer noch Kosten obendrauf. Die öffentliche Hand fördert den Erwerb von Elektroautos. Parallel müsste sie alles tun, um eine flächendeckende kostengünstige Ladeinfrastruktur zu schaffen. Aber sie verteuert den Strom durch einen abrupten Wechsel zu kostspieliger Energiegewinnung. Der Staat möchte, dass wir neue Heizungen einbauen. Das fördert er aber ausgerechnet in einer Zeit ausgebuchter Handwerksbetriebe, fehlender Chips, notleidender Lieferketten und anziehender Preise für Baumaterial. Der Staat erkennt, dass die Mieten unvernünftig steigen. Genau zu dieser Zeit berechnet er die Grundsteuer neu und bewirkt eine Erhöhung der Mietnebenkosten. Das alles ist jeweils Ausdruck legitimer Ziele, die aber miteinander kollidieren. Heraus kommt eine groteske Widersprüchlichkeit.

Das andere Problem ist politische Latenz, also die Verzögerung zwischen dem Entstehen und der Lösung eines Problems. Vor allem Landkreise und Kommunen gehen die Herausforderungen Wohnen und Verkehr viel zu langsam an. In Landsberg wäre es erforderlich, mit allen Projektentwicklern und Bauträgern aus der Region ein teilnehmeroffenes und Vergaberecht-konformes Schnellbauprogramm aufzulegen, durch das städtische und Freistaats-Grundstücke mobilisiert und überplant werden. Stattdessen legt der Stadtrat eine Prüfungspause ein, weil er die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft erwägt. Im Verkehrsbereich ist es ähnlich. Zwar gibt es lang laufende Überlegungen zur Fuchstalbahn und zur MVV-Tarifeinheit; beides wäre für manche Pendler ein Vorteil. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Maßnahmen und reicht nicht aus. Wer den Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn will, muss Verknüpfungspunkte schaffen. Dazu gehören ausreichend Parkplätze an den Bahnhöfen Landsberg, Kaufering und Geltendorf sowie an den Ortsrändern von Landsberg, verbunden mit einem leistungsfähigen innerstädtischen Bussystem. Schneller, bequemer, kostengünstiger - nur dann funktioniert die Verkehrsreduzierung im erhofften Ausmaß. Aber wir hören Sätze wie "Der Verkehrsentwicklungsplan ist noch in Arbeit" und "An das Bussystem können wir gar nicht ran, die Verträge laufen noch".

Probleme erkannt, Probleme gebannt? Leider wohl nicht. Vielleicht schafft die neue Koalition in Berlin eine bessere Abschätzung der Politikfolgen. Und vielleicht gibt man sich auf kommunaler Ebene doch noch einen Ruck, die Herausforderungen zielgerichteter anzugehen. Zu wünschen wäre das.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed