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Das Ei im Nest

Mittwoch, 15.04.2020

Doris Baumgartl hat eine Entscheidung getroffen: Sämtliche Veranstaltungen in Räumlichkeiten der Stadt, die vor dem 13. Juni 2020 stattfinden sollten, sind abgesagt. Stadttheater, Säulenhalle, das Historische Rathaus, das Sport- und Veranstaltungszentrum, die Aula der Mittelschule und das Jugendzentrum bleiben bis dahin unbespielt.

Baumgartl traf die Entscheidung in ihrer Eigenschaft als zweite Bürgermeisterin und Vertreterin des noch amtierenden Oberbürgermeisters Mathias Neuner. Sie war eigenen Angaben zufolge bereits zwei Tage nach der Stichwahl von der Stadtjustitiarin informiert worden, dass sie Neuner im ganzen Monat April vertreten muss, "weil er in Urlaub ist". Er selbst gab hingegen an, keinen Urlaub beantragt zu haben und auch nicht verreist zu sein. Merkwürdig: Neuner ist nicht krank, nicht in Quarantäne, nicht im Home Office, nicht im Urlaub und auch nicht aus Rechtsgründen an der Amtsausübung gehindert. Wofür bekommt er jetzt Gehalt?

Man kann die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen. Baumgartl kann Neuner nämlich gar nicht vertreten, weil nach der Geschäftsordnung kein "Verhinderungsfall" vorliegt. Im Gegenteil: Nach Neuners Erklärung, er gehe zwar nicht mehr ins (bereits geräumte) Büro, komme jedoch gerne in die Verwaltung, um an Besprechungen mitzuwirken, greift eine Spezialregelung der Geschäftsordnung. Sie lautet: "Ist die zu vertretende Person bei Abwesenheit gleichwohl dazu in der Lage, die Amtsgeschäfte auszuüben und bei Bedarf wieder rechtzeitig vor Ort zu sein, liegt ein Fall der Verhinderung nicht vor".

Da kein Verhinderungsfall vorliegt, kann Baumgartl auch keine Entscheidungen anstelle des Oberbürgermeisters treffen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen. Werden sie von der falschen Person getroffen, sind sie anfechtbar. Neuner könnte Baumgartls Entschlüsse zwar noch zu seinen eigenen machen. Allerdings müsste er dann auch Baumgartls Abwägungen nachvollziehen, sonst fehlt es an der Ermessensausübung.

Und das gilt auch nur in Fällen, in denen der Oberbürgermeister tatsächlich allein entscheiden kann. Hier muss man genauer hinschauen. Dass Veranstaltungen in Räumen der Stadt bis zum 19. April 2020 ausfallen, ist selbstverständlich, denn im ganzen Freistaat ist keine Durchführung möglich. Eine entsprechende Mitteilung an die öffentlichen, sozialen oder privaten Veranstalter hätte keine gestaltende Wirkung.

Die Absage aller städtischen und sonstigen Veranstaltungen über diesen Zeitpunkt hinaus bis weit in den Juni hinein ist aber eine relativ früh getroffene stadtspezifische Regelung. Und die ist keine wiederkehrende Angelegenheit der laufenden Verwaltung. Sie fällt damit nicht in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters (wer das auch immer funktional gerade ist), sondern in die des Stadtrats.

Da sich der Stadtrat offiziell in Ferien befindet, damit sich seine Mitglieder bei Sitzungen nicht mit dem Virus infizieren, muss der Ferienausschuss über die faktische Sperrung der Veranstaltungsräume beschließen. Er tagt am 22. April. Ein entsprechender Tagesordnungspunkt ist dort aber nicht vorgesehen.

Kein Verhinderungsfall, keine Vertretung, keine Entscheidungsbefugnis, keine Geltung - da kommt einiges zusammen. Österlich formuliert: Neuner hat Baumgartl ein Ei ins Nest gelegt. Und das muss man da jetzt erstmal wieder rausholen.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed