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Fatale Signale

Mittwoch, 19.08.2020

So langsam verfestigt sich der Eindruck, dass einige Behörden in Sachen Corona in lasche Routine verfallen. Sie geben damit fatale Signale an Bürger, die sich in Lokalen oder Geschäften, aber auch im Urlaub und bei Feiern die Eigenerlaubnis zum Regelbruch geben. Wenn schon der Staat das Infektionsschutzgesetz nicht konsequent anwendet, was ist dann schlimm daran, dass man sich selbst nicht daran hält?

Der KREISBOTE wurde gebeten, auf eine öffentliche Versammlung hinzuweisen, die im Gastraum eines parallel für Besucher geöffneten Altstadt-Restaurants stattfinden sollte. Der landsbergblog fragte daraufhin beim Landratsamt Landsberg nach, ob das Gesundheitsamt vielleicht zuvor das Schutz- und Hygienekonzept des Veranstalter anfordern möchte, was die geltende Hygiene-Verordnung nicht nur ermöglicht, sondern in diesem Fall geradezu nahelegt: Es war klar, dass man den Mindestabstand von 1,50 m zwischen allen Teilnehmern vor Ort nicht einhalten konnte; entweder der Redner schreit das Lokal zusammen oder niemand versteht ein Wort. Doch die Antwort lautete: "Das Landratsamt geht nicht davon aus, dass die Bestimmungen bei der Veranstaltung nicht eingehalten werden", daher "wird auch kein Erfordernis gesehen, das Hygienekonzept vorab anzufordern". Der Landrat und seine Mitarbeiter konnten anschließend auf einem Foto sehen, wie falsch sie lagen.

Fehler passieren und außerdem gibt es auch noch einen Ermessensspielraum. Das Problem sind aber die Eindrücke, die da entstehen. Die Tageszeitung fragte beim Landratsamt Landsberg an, ob denn die Prostituierte, die sich in einem Hotel einmietete und dort offenbar ihre Dienste verrichtete, gegen Corona-Regeln verstoßen hat. Da gibt es eigentlich nur eine Antwort: Mit 1,50 m Abstand geht die Chose nicht. Aber dafür, so teilt das Landratsamt mit, gebe es "keinen begründeten Verdacht"; das Gesundheitsamt gehe "im Moment davon aus, dass von der Frau nicht gegen die Hygienevorschriften verstoßen wurde". Mit so einer lapidaren und weltfremden Begründung schafft das Landratsamt den Eindruck, die Sache mit dem Abstand sei eine zu vernachlässigende Angelegenheit.

Auch das Polizeipräsidium Oberbayern Nord hat mit seiner Mitteilung zum Verlauf des angekündigten "Kontrolltags" eher zur Verharmlosung beigetragen. Von 489 Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz habe die Polizei 29 angezeigt. Es besteht also selbst an einem Tag verschärfter Prüfung eine 94prozentige Wahrscheinlichkeit, wegen eines Verstoßes nicht verfolgt zu werden. Diese Quote ist unerträglich für alle, die jeden Tag Masken tragen, Abstände halten und sich durch Händewaschen und Desinfektion um ein Maximum an Hygiene bemühen. Sie ist unerträglich für alle, die ein Interesse daran haben, dass Schulen und Kindergärten nicht mehr schließen müssen und das wenigstens das rudimentäre öffentliche Leben fortgesetzt werden kann. Genau das Gegenteil, eine Quote von 100 Prozent, wäre richtig und notwendig gewesen.

Das Landratsamt, die Polizei und andere Behörden müssen sich klar sein, dass sie mit ihrem Verhalten und ihren Äußerungen Maßstäbe setzen. Das betonte Herunterspielen in den drei genannten Fällen gibt jenen Auftrieb, die Corona leugnen oder missachten. Es lässt jene im Regen stehen, die Vorsicht und Solidarität für notwendig halten. Das ist keine gute Politik.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed