Die Lupe in der Hand

Mittwoch, 23.06.2021

Viele überrascht es, wenn sie erfahren, dass es in einer Stadt wie Landsberg keine Gewaltenteilung gibt. Die Aufteilung in Exekutive (Ausführung) und Legislative (Gesetzgebung) endet auf Landesebene. Alles darunter gehört zur Exekutive und nennt sich "Verwaltung". Auch der Stadtrat ist Teil der Verwaltung. Er ist kein Kontrollorgan, keine Genehmigungsinstanz, kein Aufsichtsrat. Die Oberbürgermeisterin und der Stadtrat teilen sich vielmehr die Verwaltungsaufgaben. Für laufende gleich wiederkehrende Angelegenheiten ohne grundsätzliche Bedeutung und ohne erhebliche Verpflichtungswirkung ist die Oberbürgermeisterin zuständig, für alles andere der Stadtrat. Die Mitarbeiter der Verwaltung arbeiten beiden zu und führen ihre jeweiligen Anordnungen oder Beschlüsse aus.

Manche erinnern sich noch an einen Beitrag des landsbergblog vom 7. Dezember 2012 mit dem Titel "Wer ist Behörde?" Damals vertraten Mitarbeiter der Stadtverwaltung die Auffassung, für die Ausübung der Befugnisse der Stadt als "Untere Straßenverkehrsbehörde" seien sie, die hauptamtlichen Verwaltungsmitarbeiter, zuständig - der Stadtrat sei doch nie und nimmer "Behörde". Richtig war und ist: Die ganze Stadt ist "Untere Straßenverkehrsbehörde". Wer im Einzelfall für eine Entscheidung zuständig ist, bemisst sich nach der allgemeinen Aufteilung zwischen Stadtrat und OB.

In diesem Licht muss man auch die in der vergangenen Woche diskutierte Frage sehen, welche Stellung ein Stadtratsmitglied hat, das mit einem Aufgabengebiet (einem Referat) betraut wurde. Durch diese Betrauung ändert sich nichts an der grundsätzlichen Aufgabenteilung; der Stadtrat gibt seinem (Fach-) Kollegen lediglich so etwas wie eine Lupe in die Hand. In der Geschäftsordnung steht, dass Referenten "Entscheidungen des Stadtrats vorbereiten" sollen. "Insoweit" sind sie sowohl mit der "Bearbeitung der Aufgabengebiete" wie auch mit der "Überwachung der gemeindlichen

Verwaltungstätigkeit" betraut. Referenten sollen also beispielsweise vor Sitzungen der Ausschüsse Themen aus ihrem Fachgebiet mit der Lupe betrachten und dann ihre Bewertung dazu abgeben. Das setzt natürlich voraus, dass der jeweilige Referent (m/w/d) sich in den jeweiligen Ausschuss hat wählen lassen, also beispielsweise ein Energiereferent in den Bau-, Planungs- und Umweltausschuss. Referenten sollen aber auch die "gemeindliche Verwaltungstätigkeit" überwachen. Stellt ein Kulturreferent beispielsweise fest, dass eine Fördersatzung nicht in Anspruch genommen wird, sollte er das bemerken und eine Änderung "vorbereiten".

Durch den Status "Referent" entsteht aber kein Durchgriffsrecht in den Bereich, dessen Bearbeitung dem Stadtrat gar nicht obliegt. Ein Referent wird auch nicht zum Fachvorgesetzten von Verwaltungsmitarbeitern und diese werden ihm gegenüber nicht berichterstattungspflichtig. Wenn der ganze Stadtrat kein Kontrollorgan, keine Genehmigungsinstanz und kein Aufsichtsrat ist, dann wird auch ein Referent nicht dazu. Folglich gibt es im Verhältnis der Beteiligten auch keine Hol- und Bringschuld, sondern, innerhalb der umfassenden Kommunalverwaltung, nur den Anspruch auf Kollegialität.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed