Wir von Lech und Ammersee

Mittwoch, 24.02.2021

Vor einigen Tagen haben drei Oberbürgermeister aus Baden-Württemberg eine stark erhöhte Mehrwertsteuer für den Onlinehandel gefordert. Zuvor kamen vergleichbare Vorschläge aus den Rathäusern in Bremen und Mainz.

Diese Idee ist nicht durchdacht. Auf der Liste der 100 größten Onlinehändler Deutschlands stehen überwiegend Mittelständler aus dem klassischen lokalen und regionalen Einzelhandel. Das sind Unternehmen, die sich für ein weiteres Standbein entschieden haben, um einer veränderten Nachfrage Rechnung zu tragen. Es ist grotesk, aktive Händler zu bestrafen und passive zu begünstigen, nur weil einem Amazon ein Dorn im Auge ist.

Letztlich geht es um die Folgen der Digitalisierung. Zeitungen waren mit der Umstellung von Blei- auf Fotosatz wohl die ersten, die davon betroffen waren. Aber auch der Wandel vom Farbfilm zur Bilddatei, von der CD zu Spotify, von der Videothek zu Netflix und von der Telefonzelle zum Smartphone ist allen noch präsent. Viele Firmen haben auf die Digitalisierung reagiert. Zum Beispiel Otto, die Metro Group, IKEA und auch das vorwiegend in Baden-Württemberg präsente Mode-Kaufhaus Breuninger, seinem Slogan nach "neu seit 1881"; es hat sich permanent modernisiert und ist auch online mit großem Erfolg tätig.

Lokale Einzelhändler argumentieren, sie seien viel zu klein, um E-Commerce zu machen. Auch in Landsberg hört man das oft. Aber es geht nicht um den Aufbau eines bundesweiten Online-Dienstes mit ausgefeilter Logistik, sondern darum, regional vielfältig - im Fachvokabular diversifiziert - Kunden zu gewinnen und zu behalten. Beispiele gibt es bereits: Ein Getränkehändler ermöglicht es, über E-Mail zu bestellen; er liefert die Ware aus und bucht die Zahlung vom Konto ab. Die Besitzerin einer Boutique bietet ihren Kundinnen nach Ladenschluss eine Beratung per Skype an; sie schickt die ausgesuchte Bekleidung mit DHL oder stellt das Paket auf dem Heimweg vor die Tür. Ein Anbieter von Kaffeemaschinen hat im Hinteranger aus einem Ladengeschäft heraus mit Zubehörbestellungen angefangen; heute versendet er weltweit.

Ein gutes Beispiel dafür, was Einzelhändler gemeinsam leisten können, ist die Plattform "Wir Winzer". Dort haben auch kleine Weingüter und Jungwinzer die Möglichkeit, ihre Weine zu verkaufen, ohne sich um Shopsysteme, Versand, Marketing und Abrechnung kümmern zu müssen. Natürlich ist ein Winzer aus der Pfalz mit dem Institut "Genossenschaft" vertrauter als ein Ladenbesitzer in der Landsberger Altstadt. Aber Stadtrat und Stadtverwaltung könnten durchaus ein vergleichbares Modell auf den Weg bringen. So wie die 41.000 Einwohner-Stadt Monheim, wo viele Händler gemeinsam einen digitalen Marktplatz bilden. Kunden finden dort Waren von 322 regionalen Anbietern. Es gibt einen Lieferdienst und ein zentrales Inkasso.

"Wir Winzer", "Wir Monheimer", das können "Wir von Lech und Ammersee" doch auch. Die c't schreibt in ihrer aktuellen Ausgabe: "Es reicht einfach nicht aus, wenn Städte für die Digitalisierung lediglich einen Kümmerer engagieren. Digitale Marktplätze sind mittlerweile genauso wichtig für die Infrastruktur einer Stadt wie Nahverkehr und Fußgängerzonen". Nicht Verbote und Steuern sind die Lösung des Problems; wir brauchen schnelle aktive Hilfe zur Digitalisierung. Das ist die einzige Option.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed