Leere Hände

Mittwoch, 27.04.2022

Der Stadtrat fasste 2016 einstimmig den Beschluss, sieben Grundstücke der Stadt und des Freistaats zur dezentralen, räumlich ausgewogenen Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen im Stadtgebiet vorzuhalten. Der Standort Iglinger Straße sollte nach Ende der Laufzeit im Jahr 2019 zunächst abgelöst werden. Der Freistaat und das Landratsamt stimmten zu.

Als Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl dem Landrat vor wenigen Tagen grünes Licht dafür gab, von dieser Festlegung (zum zweiten Mal) abzuweichen und Container erneut an der Iglinger Straße aufzustellen, glaubten wir zunächst an Vergesslichkeit oder Bequemlichkeit. Und wunderten uns, dass die Entscheidung nicht in einer öffentlichen Sitzung des Stadtrats beschlossen wurde, was notwendig ist, denn hier geht es nicht lediglich um eine "wiederkehrende Angelegenheit der laufenden Verwaltung", die die Oberbürgermeisterin allein entscheiden kann.

Keine Öffentlichkeit, kein Beschluss. Stattdessen, so teilte uns die Stadt mit, habe sich die Oberbürgermeisterin mit Stadträten in nichtöffentlichen Sitzungen "ausgetauscht" und "sich ein Meinungsbild eingeholt". Dann habe sie "über 300 Anwohner informiert". Das sei alles. Die Oberbürgermeisterin von Augsburg hat gerade dafür plädiert, auch bei Katastrophen die vorgesehenen Beschlusswege einzuhalten. Ihre Kollegin aus Landsberg sieht das offenbar anders.

Was in Sachen Iglinger Straße jetzt gilt? Wir wissen es nicht. Dass es um die "vorübergehende Unterbringung von Frauen und Kindern" geht, ist wahrscheinlich weder wahr noch realistisch. Putins Terror hört morgen nicht auf. Mariupol ist nicht in Wochen wieder aufgebaut. Und von den 33 Millionen Menschen, die derzeit Schutz außerhalb des eigenen Landes suchen, kommen bestimmt welche zu uns.

Nun erfahren wir, dass die Stadt noch ein viel größeres Problem hat; es wurde erst bei der zweiten offiziellen Nachfrage eingeräumt. Stadtrat und Stadtverwaltung haben zugelassen, dass der Beschluss von 2016 nach und nach immer inhaltsleerer wurde, weil kein einziges der aufgelisteten Grundstücke noch zur Verfügung steht (siehe nebenstehender Bericht). Anders ausgedrückt: Die Verantwortlichen haben den politischen Willen zu einer dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen immer mehr erodieren lassen und in Kauf genommen, nun mit leereen Händen dazustehen. Das ist nicht nur Wortbruch, das ist programmierter Wortbruch.

Die Ankündigung von Bürgermeister Felix Bredschneijder, dass die Stadt nun "langfristig durchführbare Pläne" entwickeln wird, ist zwar erfreulich. Aber das hätte man - sukzessive, nach Ausfall jedes einzelnen Areals - längst machen können. In einem geordneten Verfahren nach der Bayerischen Gemeindeordnung. Mit Beschlüssen des Stadtrats. Ohne Alleingang, ohne Not.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed