Nicht Ihr für uns

Mittwoch, 27.10.2021

KREISBOTE und landsbergblog haben das Bauvorhaben Urbanes Leben am Papierbach (ULP) von Anfang an mit großer Genauigkeit beobachtet. Dadurch wurden wir Zeugen, wie Oberbürgermeister und Stadträte den amerikanischen Investor der Pflugfabrik erst beim Spatenstich in der Baugrube kennenlernten. Wir konnten im Detail über die Verwerfungen zwischen dem Stadtbauamt und der österreichischen Baufirma beim Lechsteg-Bau berichten. Und wir hatten schon früh Kenntnis davon, dass Projektentwickler ehret+klein die Stadt bitten wollte, im Hinblick auf die zu erwartende Verkehrswende die erforderliche Zahl der Tiefgaragenplätze im ULP-Areal zu reduzieren. Jemand von ehret+klein fragte uns damals, ob wir eine Chance für diese Idee sähen; wir verneinten.

Stadtrat und Stadtverwaltung sehen das ähnlich. Ihnen ist klar, dass wir in Sachen Verkehrswende nicht am, sondern noch vor dem Anfang stehen. Bislang gibt es kein Indiz dafür, dass die Bewohner am Papierbach weniger Autos besitzen werden als die - knapp bemessene - Stellplatzsatzung annimmt. Denn die "modale Verlagerung" des Verkehrs auf Bus, Bahn und Fahrrad ist noch nicht mal eingeleitet, geschweige denn, dass wir wissen, ob, wie und wann sie Wirkung zeigt. Ja, klar: In der Zukunft werden wir tatsächlich alle weniger Autos besitzen und sie auch weniger oft benutzen. Das verlangt der Klimaschutz, das erfordert der Verkehrsfluss. Aber wann ist Zukunft? Jetzt noch nicht. Offenbar traut sich drei Jahre nach dem Vorschlag immer noch niemand, das ehret+klein ehrlich zu sagen.

Das Schweigen der Stadt ist leider symptomatisch. Wie die Verlagerung schrittweise in Angriff genommen werden kann, zeigt der Verkehrsentwicklungsplan, den der Stadtrat - nach öffentlicher Beschlussfassung - beim Planungsbüro Brenner Bernard in Auftrag gegeben hat. Doch weder Bürger noch Unternehmen dürfen Einblick in den derzeitigen Stand nehmen. Beide Gruppen sind doch intelligent genug, einen Entwurf von einem Beschluss zu unterscheiden; man sollte sie nicht für unmündig erklären. Und beide haben ein erhebliches Interesse daran, früh in die Diskussion einbezogen zu werden; ob Schulweg, Warentransport oder Berufsverkehr, niemand kennt die zurückzulegenden Wege so gut wie sie.

Die Stadtverwaltung räumt offiziell ein, dass ein kleiner Kreis aus Politik und Verwaltung einzelne Bereiche wie ÖPNV und Radverkehr zunächst intern berät, um diese und andere Themen anschließend mit dem Entwurf "abzugleichen". Genau diese Betrachtung war aber doch Auftrag von Brenner Bernard! Die Planer haben ja kein Teil-, sondern ein Gesamtkonzept erarbeitet. Sie wissen genau, dass nur "kommunizierende Röhren" Aussicht auf Erfolg haben: Mehr vom einen Verkehrsstrom erlaubt weniger vom anderen Verkehrsstrom. Die städtische Begründung klingt danach, als würde man in Landsberg gerade versuchen, das Rezept der Planer in seine Bestandteile zu zerlegen und die Zutaten neu zu mischen. Das kann man so machen, birgt aber die Gefahr der Parallelwertung in der Laiensphäre. Die Diskussion muss daher jetzt aus den Hinterzimmern heraus kommen. Lasst uns das gemeinsam machen. Wir für uns alle. Nicht Ihr für uns.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed