Falsches Verständnis

Mittwoch, 29.06.2022

Seit Oktober 2021 ist Privatdozent Dr. Stefan Paulus ehrenamtlicher Stadtheimatpfleger von Landsberg. Der gebürtige Landsberger ist am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Augsburg tätig. Seine Aufgabe ist es, Werte von landschaftsprägender, geschichtlicher, wissenschaftlicher, künstlerischer, städtebaulicher und volkskundlicher Bedeutung zu bewahren, zu pflegen und weiterzuentwickeln. Der Stadtheimatpfleger soll sowohl zur Erhaltung und Vermittlung der historischen Dimension der Stadt beitragen wie auch aktuelle Veränderungsprozesse kritisch begleiten.

Allerdings beginnt die Amtszeit von Paulus mit einem Problem. Mehrere Beobachter berichten übereinstimmend, dass die Stadtspitze die Erwartung geäußert habe, dass Paulus die Meinung der Stadt vertritt und unterstützt. Dem liegt ein falsches Verständnis von Heimatpflege zugrunde. Ob Denkmalpflege, Erinnerungskultur, Stadtmuseum, Altstadt-Satzung oder Schlossberg-Neubau: Der Landsberger Stadtheimatpfleger unterliegt bei seinen fachlichen Äußerungen und Stellungnahmen keinen Weisungen. Er ist ausschließlich der sachgerechten Erfüllung des heimatpflegerischen Auftrags verpflichtet. Das geht nicht nur aus der Bayerischen Heimatpflegerichtlinie hervor. Die Stadt Landsberg selbst schreibt, Paulus solle mit den städtischen Behörden zwar eng zusammenarbeiten. "Er ist aber unabhängig und nicht Teil der Stadtverwaltung. Diese Neutralität erlaubt eine freie Ausübung des Ehrenamtes."

Amtliche Forderungen nach Wohlverhalten sind damit nicht zu vereinbaren. Bevor Paulus sein Amt antrat, hatte er sein Amtsverständnis doch klar zum Ausdruck gebracht. Er wollte die Stadtheimatpflege sichtbarer und greifbarer machen, etwa mit Sprechstunden, um direkt mit Bürgern in Dialog zu treten. Eine Homepage solle über Projekte informieren sowie Einschätzungen und Hintergründe vermitteln. Das sagte Paulus Anfang August 2021 der Presse in Anwesenheit der Oberbürgermeisterin. Offenbar war die Toleranzschwelle der Stadtspitze nach Amtsantritt des Heimatpflegers aber schnell erreicht. Eines der neuralgischen Themen ist das geplante Dokumentationszentrums im ehemaligen KZ-Außenlager VII, das Paulus in dem Pressegespräch als "überfällig" bezeichnete. Der KREISBOTE zitierte ihn so: "Die Geschichte Landsbergs soll nicht nur im Museum sichtbar werden." Genau das aber ist tendenziell gerade Stadtpolitik.

Wer hätte hören wollen, hätte also hören können. Stattdessen kommt alles wieder so, wie in letzter Zeit oft: Die Verwaltung bekennt sich wortreich und mit allerlei Verzierungen zu Werten, Grundsätzen und Zielen. In der Praxis bleibt aber nichts davon übrig, Dann geht es wieder ausschließlich um Macht.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed