Die Haltung zur Misere

Mittwoch, 30.06.2021

Am heutigen Mittwoch verlassen die letzten Soldaten aus den Standorten Füssen und Mittenwald das "Contact Tracing Team" am Pandemiezentrum im Landkreis Landsberg. Im Rahmen "technischer Amtshilfe" haben sie Kontakte nachverfolgt, Befunde übermittelt, Kontrollanrufe getätigt, Außentests vorgenommen, an Testungen auf dem Fliegerhorst mitgewirkt und zuletzt vor allem Reiserückkehrer betreut und kontrolliert. Großartig, außergewöhnlich, unkompliziert und partnerschaftlich sei die Zusammenarbeit gewesen, hieß es zum Abschied. Für Landrat Thomas Eichinger und Amtsarzt Dr. Manuel Müller-Hahl, der das Contact Tracing Team mit großer Umsicht leitete und dafür das "Ehrenedelweiß" des Bataillons bekam, war der Einsatz essentiell. Ohne die Soldaten hätte die Corona-Bilanz im Landkreis "ganz anders ausgesehen", sagte Eichinger. Wir haben Glück gehabt.

Das war nicht überall so. Mancherorts scheute man bürokratische Folgeprobleme bezüglich Unterbringung, Verpflegung und Haftung. Und auch die nächstgelegene Bundeswehreinheit war nicht immer über Anfragen erfreut. Viele Angehörige des Gebirgsversorgungsbataillons aus Füssen sind beispielsweise in Mali im Einsatz; da wird das Personal am Heimatstandort knapp. Künftig brauchen wir eine andere Lösung; Soldaten sind keine Hilfsbeamte der Kommunalverwaltung. Darauf hat am Wochenende auch der Nationale Normenkontrollrat hingewiesen, der im Auftrag der Bundesregierung tätig ist. Um Lastspitzen schnell auffangen zu können, sei eine zivile Personalreserve sinnvoll - ein Personalpool, bestehend aus Verwaltungsangehörigen aller Ebenen, die bei Bedarf und ohne Kompromittierung der abgebenden Stelle kurzfristig für andere Aufgaben eingesetzt werden können.

Das ist nur eine von vielen Empfehlungen des Normenkontrollrats. Eine weitere ist ein Baukastensystem, an das die Landkreise gebunden sein sollen. "Die ortsnahe Problemkenntnis und Entscheidungsgewalt soll erhalten bleiben, bei der Auswahl der Lösungen und Produktionsmittel sollen Politik und Verwaltung aber aus einem überregionalen Lösungsraum auswählen können." Ja, das ist eine gute Idee. Die Ansätze der Landkreise waren viel zu unterschiedlich, sowohl während der Flüchtlingskrise als auch in der Corona-Zeit. Man erinnere sich nur an die einsame Definition des Landkreises Landsberg, Flüchtlinge seien Obdachlose und daher Sache der Kommunen. An die sinnlose Schließung der Betriebshöfe zu Beginn des Lockdowns. An das Lamentieren, Ärzte würden doch nur ihre Freunde und Nachbarn impfen. An die vagen Pressemitteilungen zu Corona-Fällen, in denen das einzig Konkrete der übergriffige Hinweis war, die Verstorbenen seien betagt und vorerkrankt gewesen.

Der Normenkontrollrat hat richtigerweise auch gefordert, jetzt mit Audits und Stresstests die Leistungsfähigkeit von Behörden im Normalbetrieb und im Krisenfall zu ermitteln. Lange Wartezeiten bei der An- oder Abmeldung eines Kraftfahrzeugs, zeitraubende Prozessführungen des Jugendamts, monatelange Vakanzen bei Amtsleitungen, das sind drei Beispiele aus dem hiesigen Landkreis, die zeigen, mit welcher Unbekümmertheit die Misere als normal deklariert wird. Beides müssen wir beenden: die Misere selbst, aber auch die Haltung dazu.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed