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Kein Kick and Rush

Mittwoch, 30.09.2020

Es ist noch nicht so lange her, da handelte die Landsberger Politik nach dem "Kick and Rush"-Prinzip. Man schlägt aus der eigenen Hälfte heraus einen Pass und hofft, dass der Ball vorne einen Mitspieler erreicht. Wer "Kick and Rush" mag, wittert früh eine Torchance und bejubelt bereits das Zuspiel. Fraktionen formulieren Anträge an den Stadtrat und informieren die Presse sofort über ihren genialen Spielzug. Ein Bürgermeister plant eine personelle Maßnahme und plaudert darüber in der Öffentlichkeit. Die Stadtspitze zählt unbedacht neue Baugebiete auf, auch ganz ungewisse, und wundert sich dann über vereinten Widerstand.

Das hat sich geändert. Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl nimmt zu vielem entweder gar nicht Stellung. Oder mit der Diktion "Das ist ein wichtiges Thema, über das wir sorgfältig beraten werden". Diese Linie macht Schule: Die Bürgermeister, die Fraktionsvorsitzenden und die meisten Stadträte verfahren inzwischen ähnlich. Zwar können sich nicht mit Amt oder Mandat gesegnete Bürger nun länger und intensiver zu Wort melden, ohne dass ein Gegengewicht gesetzt wird - so bleiben Themen wie die Lech-Philharmonie oder die Parkplatzreduzierung am Papierbach lange in der Diskussion. Der Vorteil aber ist, dass die letztlich getroffenen Entscheidungen umfassender legitimiert und sorgfältiger durchdacht sind. Das hat auch Konsequenzen für die Berichterstattung. Die Presse muss, soweit noch nicht geschehen, nun eigene Maßstäbe entwickeln und kann nicht nur wiedergeben, A habe dieses gesagt und B jenes entgegnet. Und sie muss nun die leisen Töne interpretieren, das zwischen den Zeilen Stehende.

Beispiel Konzertsaal. Die Oberbürgermeisterin lässt sich nach dem Workshop des Stadtrats in einer sorgfältig ausgearbeiteten Presseerklärung so zitieren, dass Synergien für "alle Beteiligten" angestrebt werden. Es soll ein "vielseitig nutzbarer Veranstaltungssaal" entstehen, von dem "alle profitieren": ein "Kultursaal". Dafür sollen nun "der Investor, das Architekturbüro, die Stadtverwaltung und der Gestaltungsbeirat" den ursprünglichen Entwurf überarbeiten. Das Ergebnis soll dann "dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden". Der für Konzerte optimierte und damit praktisch nur für Konzerte nutzbare Saal ist also vom Tisch. Ein deutliches Zeichen ist auch, wer jetzt tätig werden soll - die bisherigen Wortführer sind da nicht genannt.

Zweites Beispiel: Die Parkplatzreduzierung am Papierbach. "Ob und wieweit" durch das geplante Car-Sharing "Stellplätze auf Dauer eingespart werden können, ist noch zu prüfen", steht da. Und: "Ob das Mobilitätsangebot angenommen wird, hängt von vielen Faktoren und der Akzeptanz der Bewohner ab." Es sieht also nicht so aus, dass die Stadt leichtfertig Befreiungen von der Stellplatzsatzung erteilen wird. Baumgartl verweist im Übrigen auf notwendige Gespräche "zwischen der Stadt und dem Investor" - irgendwelche dritten Beteiligten werden hier ebenfalls nicht aufgeführt.

Ehrlich gesagt: Uns ist strategisches Aufbauspiel lieber als Kick and Rush. Politik ist kein schneller Schlagabtausch. Amts- und Mandatsträger müssen sich nicht jagen lassen und auf alles sofort eine Antwort geben. Die Bürger sollten sich dadurch allerdings nicht täuschen lassen. Schweigen ist keine Zustimmung. Sondern kann die Vorstufe zu einer guten Entscheidung sein.

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed