Das sparen wir uns

Mittwoch, 31.03.2021

Ein gewaltiges Bauwerk mit hohem Störpotential. Ein raumgreifendes Treppenkonstrukt mit unvertretbarer Kosten-Nutzen-Relation. Eine gestalterische Katastrophe. So ähnlich äußert sich im April 2018 der aus hochrangigen Stadtplanern und Architekten gebildete Gestaltungsbeirat der Stadt Landsberg zur geplanten Fußgängerbrücke am südlichen Ende des Papierbach-Areals. Doch der Stadtrat zieht weder damals noch heute die Reißleine. Das nun vorliegende konkrete Angebot von Projektentwickler ehret + klein, auf das Monument zu verzichten, hat der als Pandemieausschuss tagende Stadtrat in seiner letzten nichtöffentlichen Sitzung mehrheitlich abgelehnt. Versteht man das? Nein, das versteht man nicht.

Wie gewaltig und raumgreifend Bahnüberführungen wirken können, ist doch in der eigenen Stadt ablesbar. Man muss nur mal zur Valentin-Kindlin-Straße spazieren und dann nach oben schauen. Aber offenbar muss ein neuer Stadtrat zum Klüger-Werden die Fehler alter Stadträte wiederholen. Das ist umso bedauerlicher als es diesmal um viel eigenes Geld geht. Nach dem städtebaulichen Vertrag ist die Stadt in der Verpflichtung, die Baukosten zu tragen. Es wäre ein Segen, sie gerade jetzt einsparen zu können, zumal es um die Finanzen ja nicht gut steht und das Landratsamt schon warnende Hinweise ins Rathaus geschickt hat.

"Das sparen wir uns" ist aber nicht nur finanziell die richtige Empfehlung. Die Erhöhung der Anforderungen der Bahn - nun sollen sechs Meter überwunden werden - führt noch einmal zu einer Vergrößerung des Bauwerks. Man kann die Treppenstufen ja nicht einfach 20 Prozent höher bauen. Für die an dieser Stelle besonders schützenswerte Natur ist das schlecht. Eigentlich bevorzugt man Brücken gegenüber Unterführungen, um so wenig Eingriffe in vorhandene Biotope wie möglich vorzunehmen. Hier aber erschlägt man die Natur mit einem Koloss. Wenn selbst der Projektentwickler der Meinung ist, dass man das nicht tun sollte - was bewegt dann die Stadt dazu, das Gegenteil zu fordern?

Wegen der Beratung hinter verschlossenen Türen ist auch unklar, ob in die Entscheidung wenigstens ein Hauch Perspektive eingeflossen ist. Die Spatzen pfeifen es doch von den Dächern: Der Projektentwickler bemüht sich mit allerlei Studien und Expertisen zum Carsharing darum, die Stadt zur Ablöse von Parkplätzen zu bewegen. Demnächst würden die meisten Haushalte keine zwei eigenen Autos mehr haben, macht er geltend. Das mag auf Dauer stimmen, nur bedarf es dazu einer städtischen Vorleistung in Form öffentlicher Mobilitätsangebote; von heute auf morgen geht das nicht. Deswegen ist das Thema "Parkhaus" durchaus aktuell. An der Spöttinger Straße ist es auch verhältnismäßig kostengünstig realisierbar.

Möglicherweise ist hier aber nicht nur Stadtplanung im Spiel. Das Verhältnis der Oberbürgermeisterin zu ehret + klein sei nicht das beste, heißt es. Das Problem an der Win-Win-Situation sei, dass auch der Bauträger von der Entscheidung profitiert. Er hat nach Wegfall der Brücke, die diesmal kein "Brückerl" ist, ein weniger zugebautes Baugebiet bei gleichzeitig nur unwesentlich reduzierter Erschließung. Vielleicht will die Stadtratsmehrheit einfach nur unterstreichen, nicht willfährig zu sein. Der Preis für so eine Demonstration der Stärke ist aber eindeutig zu hoch.

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Noch ein Brückerl, sagt die Stadt

Obwohl Gestaltungsbeirat und Investor abraten, soll am Papierbach eine Bahnüberführung entstehen

Landsberg - Das ist allgemein bekannt: Im Papierbach-Areal wird es eine breite barrierefreie Bahnunterführung geben, die Fußgänger und Radler aus dem Westen schnell über den Lady-Herkomer-Steg in die Altstadt bringt. Fast kaum jemand weiß: In den Plänen ist in geringer Entfernung eine zweite Bahnquerung vorgesehen, diesmal in Form einer nur für Fußgänger geeigneten Brücke mit vielen Treppenstufen. Nach der Meinung von Projektentwickler ehret + klein kann man darauf verzichten; auch der Gestaltungsbeirat riet von einer Verwirklichung ab. Doch eine Mehrheit im Stadtrat hält an dem Vorhaben fest.

Auf dem Plan sieht sie schlank und filigran aus, aber in Wirklichkeit wäre sie "ein gewaltiges Bauwerk" mit "raumgreifenden Treppen" und "hohem Störpotential". Das hat der Gestaltungsbeirat der Stadt im April 2018 formuliert und eine "klar ablehnende Haltung" zum Ausdruck gebracht. Eine fünf Meter hohe Brücke sei an dieser Stelle keine "gestalterisch befriedigende Lösung", außerdem sei die Kosten-Nutzen-Relation nicht gegeben. Dass der Stadtrat die Pläne trotzdem nicht geändert hat, ist wohl darauf zurückzuführen, dass er damit in den bereits ausgehandelten und ausbalancierten städtebaulichen Vertrag eingegriffen hätte. Dort ist festgelegt, dass die Stadt die Baukosten der Brücke trägt.

Als nun, drei Jahre später, Projektentwickler ehret + klein den Verzicht auf die Maßnahme vorschlug, hätten bei der Stadt eigentlich die Sektkorken knallen müssen. Zumal sich die Umstände inzwischen verschlechtert haben. Die Bahn fordert nun eine Höhe von sechs Metern. Das Landratsamt macht eine weitere Kreditaufnahme von Konsolidierungen abhängig. Und es gibt eine neue parallele Entwicklung, die es nahelegt, die Wegführung zwischen Kopfbau und ehemaligem Verwaltungsgebäude der Pflugfabrik noch einmal zu überdenken. Dass der Stadtrat in Form des Pandemieausschusses in seiner letzten Sitzung mit großer Mehrheit (nur die CSU stimmte dagegen) beschließen würde, die Verzichtsempfehlung lediglich zur Kenntnis zu nehmen, aber nicht zu verfolgen, ist daher kaum zu verstehen. Zumal hinreichend bekannt ist: Wer eine Bahnüberquerung vermeiden kann, wird das ohne Zögern tun, weil laufende Untersuchungen durch von der Bahn anerkannte Ingenieurbüros und Wartungen jahrzehntelang erheblich ins Geld gehen.

Die neue Entwicklung besteht darin, dass die Mehrheit des Stadtrats offenbar geneigt ist, den Wunsch von ehret + klein zu akzeptieren, die Zahl der unterirdischen Parkplätze im Papierbach-Areal zu reduzieren. Der Projektentwickler spart dadurch geschätzt sieben Millionen Euro Baukosten; die Stadt würde davon mehr als zwei Millionen Euro als "Ablöse" erhalten. Diese Mittel könnte sie für den Bau eines oberirdischen kommunalen Parkhauses an der Spöttinger Straße einsetzen. Solange eine Reduzierung des Autoverkehrs und damit die Abschaffung von Zweitwagen keinen nennenswerten Umfang hat, könnte sie einen Teil der neuen Parkplätze an Papierbach-Bewohner vermieten, die keinen zweiten Tiefgaragenplatz ergattert haben. In diesem Zusammanhang wäre eine Bahnquerung, dann barrierefrei und auch für Radler geeignet, auf Höhe des jetzigen Landratsamts wohl sinnvoller. Von dort könnte es auch, so ehret + klein, direkte Fußweg-Anbindungen ins Papierbach-Gebiet geben.

Warum die Stadt freiwillig Geld ausgeben und die Eigentümer und Mieter am Papierbach zwangsweise mit einer Monumentalbrücke beglücken will, ist von außen nicht ersichtlich. Die Beratung fand im nichtöffentlichen Teil der Sitzung des Pandemieausschusses statt. Auch im Nachhinein war Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl (UBV) nicht bereit, die Öffentlichkeit über den Vorschlag und die Ablehnung zu unterrichten. An Bauträger ehret + klein kann das nicht gelegen haben, denn dessen Gesamtprojektleiter Benjamin Johansson sprach wenige Tage später bei einem Videochat öffentlich über das Thema. Generell gilt, dass die Abweichung von einem Bebauungsplan in den öffentlichen Teil einer Sitzung gehört; so wurde dies bisher auch gehandhabt. ehret + klein begründet den Vorschlag, auf die Brücke zu verzichten, mit einer zweifachen Beeinträchtigung. Zum einen käme es zu einer Kollision mit dem Spielplatz der Kindertagesstätte. Zum anderen entstünde neben dem bereits realisierten Kopfbau ein unverhältnismäßig ins Gewicht fallendes Bauwerk. Dass viele Bürger die treppenreiche Bahnquerung nutzen, sieht man dort nicht; bis zur bequemen Unterführung sei es ja nur ein kurzer Weg. Werner Lauff

Quelle: landsbergblog, www.landsbergblog.info. Zurück zum Artikelfeed